Denkmal Moorsoldaten
Die Verse hat ein Kumpel geschrieben
Johann Esser - Bergmann, politischer Gefangener, Dichter
Am 1. August 1933 werden 56 Nazigegner, jetzt politische Gefangene, aus dem Altkreis Moers ins norddeutsche Emsland gebracht, ins Konzentrationslager Börgermoor. Sie teilen ihr Schicksal mit 900 weiteren Gefangenen dort. Unter ihnen: Johann Esser, ein Bergmann aus Moers.
Von Anfang an erfahren sie brutale Gewalt und grausame Zwangsarbeit im Moor. Sie halten zusammen. Sie wollen den Kopf oben behalten. Dabei hilft Kultur: Gespräche, Gedichte, Lieder sind Über-Lebens-Mittel.
Nach einer brutalen Prügelorgie, die SS-Wachmänner nennen es „die Nacht der langen Latten“, organisieren die Häftlinge eine große Kulturveranstaltung. Ironisch nennen sie ihr Vorhaben „Zirkus Konzentrazani“. Am 27. August 1933 war die Veranstaltung im Lager. 900 Gefangene als Publikum, an die 100 SS-Bewacher waren auch dabei. Schlusspunkt und Höhepunkt war „Das Lied der Moorsoldaten“. Selbst die Wachmänner waren beeindruckt.
„Die Verse hat ein Kumpel geschrieben“ dichtet Johann Esser später. Die Sache war ihm wichtig, nicht sein Name: „Die Verse hat irgendein Kumpel geschrieben, / den hatte man auch in das Moor getrieben.“
Hier Johann Essers Gedicht im Wortlaut, er schrieb es in den 1950er Jahren:
Die Verse hat ein Kumpel geschrieben
Ich weiß, wenn das Lied der Lieder erklingt,
dann weinen die Brüder, die damals dabei.
Ich weiß, dass tief in die Herzen es dringt,
der Rudi schrieb damals die Marschmelodei,
die Verse hat irgendein Kumpel geschrieben,
den hatte man auch in das Moor getrieben.
Zogen wir aus mit geschultertem Spaten,
gellte es auf: Wir sind die Moorsoldaten!
Wer jemals das Lied der Lieder gehört,
der summt diese Weise bei Tag und bei Nacht,
wir sangen sie stets, weil wir uns empört,
wenn da draußen im Moor die Schüsse gekracht.
Der Husemann Fritz ist auch dort geblieben,
den hat die SS in den Tod getrieben,
auch er zog aus mit geschultertem Spaten
und sang das Lied: Wir sind die Moorsoldaten!
Stolz singen das Lied die Zungen der Welt,
es stärkt alle Brüder, die damals dabei,
es stärkt die Vielen, die neu sich gesellt
zum Kampf für den Frieden, wo immer es sei.
Der Text, den damals ein Kumpel geschrieben,
ward Flammenfanal und ist es geblieben.
Wir zogen aus mit geschultertem Spaten,
mit uns das Lied: Wir sind die Moorsoldaten!
Aus: „Der Spatz am Gitter“, Moers 2023, S. 85
Johann Esser (1896 - 1971)
Geboren in Wickrathhahn bei Mönchengladbach, wuchs Johann Esser in einem Waisenhaus auf.
Nach der Schulzeit begann er eine Weberlehre. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat und kehrte 1917 schwer verwundet von der Front zurück. 1918 bis 1933 arbeitete Esser als Bergmann in Rheinhausen.
Die Kindheitserfahrungen im Waisenhaus hatten sein soziales und politisches Bewusstsein schon früh geschärft. Er verfasste Gedichte und Geschichten aus der Welt der Arbeit, trat einer Gewerkschaft und der KPD bei.
Nach dem Reichstagsbrand wurde Esser Anfang März 1933 verhaftet und in das KZ Börgermoor gebracht. Hier schrieb er den Text des „Moorsoldatenlieds“.
Im Oktober 1933 erfolgte seine Verlegung in das KZ Lichtenburg, aus dem er im Juli 1934 entlassen wurde. Nach Jahren großer wirtschaftlicher Not, mehrfachen Verhaftungen und ständiger Beobachtung fand er mit Kriegsbeginn wieder Arbeit im Bergbau.
Ab 1945 engagierte er sich in der neu gegründeten Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE). Privat schrieb er weiterhin Gedichte und war außerdem aktives Mitglied in einem Karnevalsverein. Johann Esser starb am 2. September 1971 in Moers.